Toyohiko Kagawa (1888–1960)

Toyohiko Kagawa
Ja, gewiss. Ihr Schall ist hinausgegangen zu der ganzen Erde und ihre Reden zu den Grenzen des Erdkreises.“ (Römer 10:18) ELB

Als der 15-jährige Toyohiko Kagawa den Schall der Botschaft des Evangeliums hörte, nahm er sie freudig auf und weihte sein Leben dem Herrn Jesus. So wurden die prophetischen Worte des Apostels Paulus in die Tat umgesetzt.

Kagawa wurde 1888 als Sohn eines wohlhabenden japanischen Regierungsministers und seiner Geisha-Mätresse geboren. Beide Eltern starben als er vier Jahre alt war und er wurde zu der rechtmäßigen Frau seines Vaters und ihrer Mutter auf das Familienanwesen geschickt. Dies war jedoch eine unglückliche Situation. Unwillkommen und schlecht behandelt, half er bei der Arbeit auf dem Landgut, das Farbstoffe aus der Indigopflanze und unraffinierten Zucker aus Zuckerrohr produzierte.

Obwohl Toyohiko gern zur Schule ging und fleißig lernte, entwickelte er schon in jungen Jahren eine große Liebe zur Natur – zur saisonale Arbeit auf der Farm, zur Landschaft rund um sein Zuhause, zu den Feldern, zu der Ebene und zu den Sanddünen entlang des Flusses Yoshino. Diese Phase seines Lebens ging jedoch zu Ende, als der Sohn, der das Familienvermögen nach dem Tod seines Vaters geerbt hatte, den Nachlass völlig verprasste. Toyohiko wurde daraufhin zu einem wohlhabenden Onkel nach Tokushima geschickt.

Der junge Buddhist

In der Grundschule hatte er die Grundlagen des buddhistischen Glaubens gelernt. Sein Gefühl, ein Außenseiter zu sein, hatte ihn dazu gebracht, sein eigenes Vergnügen zu finden und als er in einem Lagerhaus eine Sammlung antiker Kuriositäten, Relikte und zahlreicher Bücher aus der japanischen Renaissance entdeckte, verbrachte er viele glückliche Stunden damit, in diesen Schätzen zu stöbern.

Toyohikos Erziehung und Liebe zum Lernen hatten ihm über seine Jahre hinaus Weisheit gegeben, so dass er an der Knaben-Mittelschule [Boy’s Middle School] in Tokushima das Verhalten der anderen Jungen häufig als abstoßend empfand. Ihrerseits machten sie ihn wiederum zur Zielscheibe ihrer Scherze und Gelächter und so fühlte er sich zunehmend einsam. Doch das Leben für Toyohiko sollte sich bald radikal ändern. Um Englisch zu lernen, schrieb er sich in eine Bibelstunde ein – und er lernte viel mehr als nur die englische Sprache.

Der junge Christ

Zu diesem Zeitpunkt seines Lebens kam Kagawa mit christlichen Lehren in Kontakt, zunächst durch einen christlichen Lehrer an seiner Schule und dann durch zwei Missionare, die Einfluss auf seine Bekehrung zum christlichen Glauben hatten – Dr. H. W. Myers, den er als seinen Vater im Glauben betrachtete, und Dr. C. A. Logan, den er als seinen Ratgeber und Führer anerkannte.

Japanische Studenten wurden in den Häusern dieser beiden Missionare willkommen geheißen. In der freundlichen, fröhlichen Atmosphäre bei Tasse Tee und Kuchen, Musik und Gesang wurden die Schüler in die englische Sprache und vor allem in die Lehren eines Buches eingeführt – der Bibel. Und durch die Bibel lernten sie eine Persönlichkeit kennen, Gott, die ihren Gedanken neue Erleuchtung und ihren Herzen neue Hoffnung brachte.

Kagawa schloss sich anderen Studenten an, die die Häuser der Missionare besuchten. Die Familien Myers und Logan nahmen den einsamen Jungen in ihr Herz und in ihre Obhut auf. Von Dr. Myers erfuhr Kagawa von einem Gott, der fürsorglich ist. Als er die Bibel las, um mehr zu erfahren, war er tief von der Stelle aus Matth. 6:28, 29 beeindruckt: „Betrachtet die Lilien des Feldes ...” und lernte das ganze Kapitel auswendig. Schließlich betete er: „O Gott, mach mich wie Christus“ und bekehrte sich. Sein Leben bekam eine neue Bedeutung und der 15-jährige Junge war sich ziemlich sicher, dass er einen göttlichen Auftrag erhalten hatte, den Armen zu dienen. Mit 16 Jahren wurde er getauft und damit stand sein zukünftiger Lebensweg fest.

In Kagawas Familie entwickelte sich eine erbitterte Opposition. Indem er sich weigerte, den Forderungen seines Onkels nachzugeben, seinen neu gefundenen Glauben und seine Ziele aufzugeben, wurde er enterbt und mit nichts als den Kleidern, die er trug, aus dem Haus seines Onkels vertrieben.

Der intellektuelle Christ

Mit Hilfe christlicher Missionare begann Kagawa 1905 an dem Tokyo Presbyterian College zu studieren. Bevor er sein Studium am College begann, hatte er Bücher von Kant, Darwin und Ruskin gelesen und sein Bedürfnis zu lesen hielt unvermindert an. Während seines dortigen zweijährigen Aufenthalts las er praktisch alle wichtigen Bücher in der Bibliothek. Später am Kobe Theological Seminary und schließlich am Princeton Theological Seminary in den USA bereitete sich Kagawa auf ein breiteres Dienstfeld vor, als er zunächst erwartet hatte.

Der praktische Christ

Zusammen mit seiner Leidenschaft für Bücher entwickelte er eine Leidenschaft für die Umsetzung seiner Ideale in die Praxis. Er rettete Schiffbrüchige und Obdachlose – von einem verlassenen Kätzchen bis zu einem Bettler auf der Straße. Er teilte Essen und Bett mit ihnen und gab jedem Bedürftigen sein Geld, seine Schuhe oder seine Kleidung, um ihre Not zu lindern.

Kagawa wurde ein Verfechter unpopulärer Anliegen und setzte sich bei Studententreffen für sozialistische Prinzipien und Praktiken ein. Nachdem er Tolstoi gelesen hatte, wurde er ein glühender Anhänger der Gewaltlosigkeit. In einer kritischen Phase des russisch-japanischen Krieges erklärte er furchtlos seine pazifistischen Ansichten und lehnte den Krieg offen ab. Infolgedessen wurde er als Verräter bezeichnet und von seinen Kommilitonen geächtet.

Arbeit in den Slums

Während Kagawa jeden Morgen im Kobe Theological Seminary studierte, verbrachte er seine Nachmittage und Abende damit, in den Straßen von Shinkawa, Japans berüchtigtstem Slum, zu predigen, obwohl er keine gute Gesundheit hatte. Indem er für die Armen arbeitete, lebte er die meiste Zeit zwischen 1910 und 1924 in einer winzigen 6-Fuß-quadratischen Hütte [ca. 180 cm], in der die Bedürftigen immer willkommen waren. Als er sein Bett mit einem Bettler teilte, erkrankte er an der Bindehautentzündung, die ihm fast das Augenlicht raubte. Kagawa predigte Gottes Liebe durch Wort und Beispiel und entdeckte unter der Armut und dem Elend eine starke Strömung der Menschlichkeit, ein Band der Brüderlichkeit, die bereit war, den Bedürftigen zu helfen.

Eltern suchten seinen Rat, junge Leute kamen zu seiner Beratung und Kriminelle machten ihn zu ihrem Beichtvater. Er eröffnete ein kleines Krankenhaus und eine Apotheke sowie ein Obdachlosenheim, während er selbst noch in der kleinen Hütte lebte.

Ein Talent zum Schreiben

Gestützt auf seinen persönlichen Kampf gegen Tuberkulose und seiner Erfahrung in den Slums von Kobe schrieb Kagawa einen Bestseller, Across the Death Line [dt. Jenseits der Todeslinie], der ihm Anerkennung und Geldmittel einbrachte, um seine Arbeit voranzutreiben. Es folgten weitere Bücher: The Psychology of Poverty [dt. Die Psychologie der Armut], a Life of Christ for children [dt. Das Leben von Christus für Kinder], Gedichte, Artikel über Wirtschaft und es wurde eine Zeitschrift ins Leben gerufen, Pillar of Cloud [dt. Wolkensäule].

(*) Keines dieser Werke wurde nach Informationen des Übersetzers ins Deutsche übertragen (2023).

Gerechtigkeit für die Menschen

Anfang dreißig sah Kagawa, wie mittellose Arbeiter begannen, ihren eigenen Wert zu erkennen, und half bei der Organisation von Gewerkschaften unter Bauern und Fabrikarbeitern. Während eines Arbeitsstreiks auf den Kobe-Werften organisierte er die Streikenden zu einer Gewerkschaft, was zu seiner Inhaftierung von 13 Tagen führte. In ländlichen Gebieten sah er die Notlage von Kleinbauern und Landarbeitern. Er bereiste Japan, um sich für ihre Belange einzusetzen, wobei er sich die Feindseligkeit der Landbesitzer und manchmal auch der Polizei zuzog.

Er trat für das allgemeine Wahlrecht für Männer ein (das 1925 gewährt wurde) und setzte sich für die Verbesserung des Arbeiterlebens ein – für das Recht auf Arbeit, für die Wohnsitzfreiheit, die Möglichkeit zur geistigen Entwicklung, die Freiheit der Ehe und der Migration, die Erholungsprivilegien, die Rede- sowie Religionsfreiheit.

Offizielle Anerkennung

Menschen in hohen Positionen erkannten die Weisheit und Fähigkeit von Kagawa an. Nach dem Erdbeben in Tokio von 1923 wurde er daher gebeten, sich der kaiserlichen Wirtschaftskommission anzuschließen, um die Wiederaufbauarbeiten zu organisieren. Er war kein Parteipolitiker und diente in verschiedenen Regierungsgremien, wenn er glaubte, dass die Menschen davon profitieren würden.

Seine pazifistischen Aktivitäten führten ihn während des Zweiten Weltkriegs in Schwierigkeiten mit den Behörden, seine Dienste wurden aber auch noch nach dem Krieg als Kabinettsberater geschätzt. 1955 erhielt er internationale Anerkennung, als er für den Friedensnobelpreis nominiert wurde.

Mitarbeiter und Lebensgefährte

1914 heiratete Toyohiko Kagawa Haru Shiba. Vom Tag der Hochzeit an gab sie ihm ihre unermüdliche Unterstützung bei all seinen Unternehmungen. Aus einfachen Verhältnissen stammend absolvierte sie die Yokohama Bible Training School und leistete selbst viel wertvolle Arbeit, die ihr starkes christliches Engagement unter Beweis stellte.

Kagawa startete 1927 eine immense Evangelisationskampagne, die „Königreich-Gottes-Bewegung“, die darauf abzielte, eine so bedeutende Zahl zum Christentum zu bekehren, dass die innere Transformation der Seelen der Menschen die sozialen Reformen bewirken würde, die er als notwendig für ihren Segen ansah.

Heute wird geschätzt, dass nur etwa 1% der Japaner (etwa eine Million) christlichen Glaubens sind. Aber nichts wird in Gottes Haushalt verschwendet und wir können sicher sein, dass Kagawas Vorbereitungsarbeit zum Tragen kommt, wenn das Reich Christi auf Erden errichtet wird, und er selbst wird sehen, wie seine Kampagne endlich all das erreichen wird, was er sich erhofft hatte.

„Jeder, der groß unter euch sein wird, sollte der Diener aller sein. Die Souveränität eines Herrschers, Eure Majestät, ist in den Herzen des Volkes. Nur am Dienst an anderen kann ein Mann oder eine Nation gottgefällig sein.
Toyohiko Kagawa
1946 am Kaiserpalast in Tokio vor Kaiser Hirohito
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