John Greenleaf Whittier (1807–1892)

Mensch Bruder, nimm zu deinem Herzen deinen Bruder!
Wo Mitleid wohnt, ist Friede Gottes;
Richtige Anbetung bedeutet, einander zu lieben,
Jedes Lächeln ist ein Lobgesang, jede freundliche Tat ein Gebet.
 
EMPFINDUNGEN WIE DIESE verkörpern Leben und Vorbild dieses beliebten amerikanischen Dichters, Liederschreibers und politischen Aktivisten gegen Sklaverei.

Whittier wurde am 17.12.1807 in einer Bauernfamilie in East Haverhill, Massachusetts (USA), geboren und wuchs im Glauben der Quäker auf. Er hatte nur Allgemeinbildung, war aber ein passionierter Leser. Obwohl er kein kräftiger Junge war, wurde von ihm auch tägliche Arbeit auf einer nicht sehr profitablen Farm erwartet. Seine Vertrautheit mit Erscheinungen und Geräuschen der Natur und seine tiefe Liebe zu Gottes Schöpfung zeigt sich in der zärtlichen Wärme seiner Balladen, Gedichte und Prosawerke.

Nachdem er mit 14 Jahren die Werke des schottischen Dichters Robert Burns kennengelernt hatte, entdeckte der junge John in sich „die Macht der Worte“. Im späteren Leben erinnerte er sich an seine jugendlichen Neigungen für eine literarische Karriere und erzählte, wie er sich trotz der aufrichtigen Bedenken seines Vaters durch die zweijährige Schulzeit an der Akademie in Haverhill hocharbeitete, indem er seinen Unterhalt als Schuhmacher und Schullehrer bestritt. 1826 erschien in der Newburyport Free Press sein erstes Gedicht, The Exile’s Departure [Die Abreise des Verbannten, keine Entsprechung im Deutschen]. Dieser Druck wurde von dem Verfechter der Sklavenbefreiungsidee W. L. Garrison herausgegeben, welcher sein lebenslanger Freund wurde. Von nun an schrieb Whittier viele Gedichte, Sketche und Artikel für verschiedene Zeitungen und gab einige wichtige Zeitschriften heraus, die die Anti-Sklaverei-Bewegung unterstützten.

Der feurige Politiker

Von vielen als der sanftmütige Dichter angesehen, dessen tiefgreifende Überlegungen zu Spiegelungen des Landlebens und dessen lebendige Wort-Bilder eines mittlerweile vergangenen Zeitalters die englischsprachige Welt immer noch stark ansprechen, wird der feurige Politiker in ihm oft vergessen.

Im Jahre 1833 erklärte sich Whittier in seiner Broschüre „Justice and Expediency“ [Gerechtigkeit und Eigeninteresse] zum Abolitionisten und nahm an dem unpopulären Anti-Sklaverei-Kongress teil. 1834 diente er im Parlament von Massachusetts eine Amtszeit als Whig [Vorkämpfer der Unabhängigkeit der amerikanischen Kolonien von England]. Im folgenden Jahr wurde er in Concord, New Hampshire, angepöbelt und mit Steinen beworfen, und bei anderen Gelegenheiten sogar mit persönlicher Gewalt bedroht. Während seiner Amtszeit als Herausgeber des Pennsylvania Freeman, einer Zeitschrift der American Anti-Slavery Society [Amerikanische Anti-Sklaverei-Gesellschaft], wurden die Büros der Zeitung während eines Mob-Angriffs niedergebrannt. Whittier setzte aber seine Tätigkeit dort so lange fort, bis sein Gesundheitszustand versagte. Er kehrte nach Massachusetts zurück, um bei seiner Mutter und Schwester zu leben, die sich seit dem Tod von Johns Vater in Amesbury niedergelassen hatten.

Der Einfluss der Quäker

Whittiers kluger Verstand und sein entschlossener Charakter hätten ihn als Politiker weit bringen können, aber seine abolitionistische Haltung lief solchen Ambitionen zuwider. Die strenge, stoische Erziehung, die für die Lebensweise der Quäker typisch ist, verlieh ihm eine unerschütterliche Beständigkeit gegenüber guten Prinzipien, und er wurde ein lebenslanger Verteidiger der Unterdrückten. Obwohl Whittier sich inniglich für Fragen interessierte, die Wohlergehen und Ehre der Nation betrafen, lehnte er jedoch Angebote, öffentliche Ämter zu bekleiden, grundsätzlich ab, da er kein Bestreben nach weltlicher Anerkennung hatte.

Sein ganzes Leben lang war er von schlechter Gesundheit geplagt. In einem autobiografischen Brief an einen Freund sagte er, er habe von beiden Elternteilen eine nervöse, sensible Veranlagung geerbt und seit frühester Kindheit Kopfschmerzen gehabt, welche später Lesen und Schreiben für ihn auf jeweils eine halbe Stunde beschränkten. Er verpasste jedoch nie die Gelegenheit, leidenschaftliche Lyrik zu veröffentlichen, um auf Unrecht hinzuweisen und Unterstützung der Abhilfe zu bekunden.

Whittiers Worte waren einfach. Er sagt, dass seine Balladendichtungen „geschrieben wurden, ohne zu erwarten, dass sie die verursachenden Ereignisse überleben würden; sie waren Proteste, Alarmrufe, Trompetensignale zum Aufstehen, Worte, die aus dem Herzen des Schriftstellers stammten, durch weiße Hitze geschmiedet, und selbstverständlich ohne Ende, welches Nachdenken und geduldige Grübelei hätten geben können.

Whittiers Lieder

Die schlichte Schönheit der Worte offenbart das wahre Genie dieses Mannes. Sie drücken Herzensgefühle des Gläubigen aus, die er selbst nicht fassen konnte, verleihen ihm ein Gefühl der Gemeinschaft mit dem Schöpfer, welches für den weniger Wortgewandten ungreifbar ist (siehe unten das Gedicht „Dear Lord and Father of mankind“).

Whittier sagte: „Ich war Mitglied der Gesellschaft der Freunde*) von Geburt an und war fest überzeugt von ihrer Wahrheit, ihren Prinzipien und der Wichtigkeit ihrer Zeugnisse. Gleichzeitig bin ich denen gegenüber freundlich gesinnt, die auf andere Weise als ich danach streben, Gott zu dienen und ihren Mitmenschen zu unterstützen.

Obwohl die Lieder von John Greenleaf Whittier kein Charakteristikum des Quäkergottesdienstes waren, diente er Gott und segnete Generationen von Christen - durch seine Worte wie durch seine Taten.

*) Die Religiöse Gesellschaft der Freunde (englisch Religious Society of Friends) ist der formelle Name der Organisation der Quäker. Das Wort Quäker bedeutet „Zitterer“ und war ein früherer Spottname der Mitglieder dieser Organisation.

Lieber Herr und Vater der Menschheit,
Vergib uns unsere törichten Wege!
Bekleide uns erneut in unserem rechtmäßigen Verstand,
Damit wir in reinerem Leben Deine Hilfe finden,
in tieferer Ehrfurcht, Lob.

In einfachem Vertrauen wie die, welche gehört haben,
Neben dem Syrischen Meer,
Die gnädige Berufung des Herrn, 
Lasst uns, wie diese, ohne ein Wort 
uns erheben und dir folgen.

O Sabbatruhe bei Galiläa! 
O Ruhe von Hügeln darüber, 
Wo Jesus kniete, um mit dir zu teilen 
Die Stille der Ewigkeit, 
Interpretiert in Liebe!

Lass deinen ruhigen Tau der Stille fallen,
Bis alle unsere Bestrebungen aufhören;
Nimm von unserer Seele die Anstrengung und den Stress,
und lass unser geordnetes Leben
die Schönheit deines Friedens bekennen.

Atme durch die Hitze unseres Verlangens
Deine Frische und deinen Balsam;
Gedanken sollen stumm sein, das Fleisch soll ruhen;
Sprich durch das Erdbeben, den Wind und das Feuer
O du besänftigende leise Stimme der Ruhe!

John Greenleaf Whittier
[nach freier Übersetzung]
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